Nutzung von eCall-Daten für das Verkehrsmanagement

Rapp wurde gemeinsam mit dem AIT beauftragt, potentielle Anwendungsfälle zur Nutzung der eCall-Daten im Verkehrsmanagement zu identifizieren und zu untersuchen, ob und in welcher Weise diese Anwendungsfälle technisch, funktional und organisatorisch umgesetzt werden können.

Die EU-weite Verordnung zur serienmäßigen Einführung der eCall-Funktion in allen Neufahrzeugen (EU-Fahrzeugklassen M1 und N1 mit einer Typengenehmigung nach März 2018) ermöglicht die schnelle Erkennung von Notfällen in Fahrzeugen im gesamten Straßennetz. Neben der automatisch initiierten telefonischen Verbindung wird ein so genannter Mindestdatensatz an die nächstgelegene Rettungsleitstelle versandt, der Informationen zur Position des Fahrzeugs und weitere Fahrzeugdaten enthält. Aus diesen Daten eröffnen sich für die Verkehrsmanagement auf Autobahnen zusätzliche Verkehrsinformationen, beispielsweise für eine bessere Erfassung unfallbedingter Störungen oder eine gezieltere Verkehrsbeeinflussung zur Vermeidung von Staus.

Zu verkehrstechnischen Anwendungsmöglichkeiten von eCall-Daten und daraus resultierender Nutzenpotentiale waren bisher nur theoretische Überlegungen bekannt. Eine konkrete Ausgestaltung von Anwendungsfällen sowie entsprechend erforderliche organisatorische und technische Rahmenbedingungen lagen derzeit kaum vor. Daher war es fraglich, ob mögliche Nutzenpotentiale auf technische, funktionale und organisatorische Weise erschlossen werden können und welche möglichen Einsatzgebiete es im Verkehrsmanagement auf Autobahnen gibt.

Gemeinsam mit dem Austrian Institute of Technology (AIT), Wien haben wir in diesem Forschungsprojekt die grundsätzliche technische, funktionale und organisatorische Machbarkeit der Nutzung der eCall-Daten im Verkehrsmanagement überprüft, verschiedene Nutzenszenarien und Einsatzgebiete identifiziert und den daraus resultierenden Handlungsbedarf für eine pilothafte Anwendung abgeleitet. Auf Basis konkreter Einblicke in das Meldewesen der Rettungs- und Notrufleitstellen erfolgte eine Beschreibung der gesamten Prozesskette – vom Auftreten einer Unfallmeldung bis hin zur Räumung der Unfallstelle. Parallel dazu führten wir Interviews mit verantwortlichen Personen in den Verkehrszentralen der Bundesländer Nordrhein-Westfahlen, Hessen und Niedersachen in Deutschland sowie in der Schweiz und in Österreich durch, um einen aktuellen Einblick in die Praxis des Verkehrsmanagements zu erhalten und um bisherige Erfahrungen mit eCall-Daten, deren mögliche Nutzenpotentiale und Umsetzungshemmnisse für eine Integration zu ermitteln. Aus den gewonnenen Erkenntnissen konnten wir insgesamt fünf verschiedene Anwendungsszenarien im Verkehrsmanagement skizzieren, die auf ein hohes Nutzenpotential der eCall-Daten schließen lassen.

  1. Direkte Warnung für den Nachfolgeverkehr
  2. Vorbereitung/Aktivierung von Maßnahmen an der betroffenen Strecke
  3. Vorbereitung/Aktivierung von Maßnahmen zur Netzbeeinflussung
  4. Bewertung von Risikostellen & Entwicklung von proaktiven Maßnahmen (offline-Analysen)
  5. Planungsaufgaben im Verkehrsmanagement (offline-Analysen)

Für jedes Szenario wurden anschließend Lösungsansätze zur Integration der eCall-Daten in den Verkehrszentralen beschrieben sowie eine qualitative Machbarkeitsanalyse durchgeführt. Da aktuell noch kein standardisiertes Verfahren zur Übertragung von eCall-Daten vorliegt, wurden die technischen und organisatorischen Anforderungen innerhalb eines Realisierungskonzepts abgeleitet. Ziel war es, auf Basis standardisierter Verfahren eine Integration von eCall-Daten in den Verkehrszentralen umzusetzen und dafür die notwendigen Prozess-Schritte und die erforderlichen Schnittstellen zwischen den wichtigsten Organisationseinheiten zu definieren. Hauptaugenmerk dieses Arbeitsschrittes war es, die heute hoheitlich getrennten Aufgaben des Rettungswesens und des Verkehrsmanagements auf technische und organisatorische Weise miteinander zu verknüpfen.

Wie die Verwendung von eCall-Daten im Verkehrsmanagement technisch und organisatorisch möglich ist, konnte durch die getätigte Forschungsarbeit gezeigt werden. Ebenfalls konnte dargestellt werden, dass die frühzeitige Kenntnis über einen Unfall in Bezug auf die Verkehrssicherheit und den Verkehrsablauf einen hohen Nutzen bieten kann. Um aus technischer Sicht eine harmonisierte und standardisierte Datenverarbeitung und -verteilung zu gewährleisten, sollte der Mobilitäts Daten Marktplatz (MDM) als zentrale Datenaustauschplattform genutzt und entsprechende Schnittstellen zu den Notrufstellen geschaffen werden. Zudem muss sichergestellt werden, dass die eCall-Daten vor einer Weiterleitung automatisch in ein für Verkehrsbehörden lesbares Format konvertiert werden (z.B. DATEX II oder CONTAINER-Format). Aus organisatorischer Sicht ist der wesentliche Treiber für eine Umsetzung die grundsätzliche politische Bereitschaft, die Verknüpfung von hoheitlich getrennten Aufgaben (Rettungswesen und Verkehrswesen) voranzubringen. Um den Weg für eine Umsetzung zu ebnen muss ein gemeinsames Verständnis auf Seiten der entsprechenden Bundesministerien geschaffen werden, auch unter Berücksichtigung der künftigen technischen Entwicklungen sowie bei organisatorischen Veränderungen in den Zuständigkeiten.

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Eckdaten

Kunde: Bundesanstalt Straße

Zeitraum: 2018 – 2019

Partner: AIT Austrian Institute of Technology